Lässig liegt er auf dem Sofa. Die Pfoten hängen locker nach unten, die Krallen sind eingezogen und die Ohren entspannt zur Seite gedreht. An der Wand ein Bild aus Kindertagen, oder sind es die eigenen Kinder? Schaut gemütlich aus. Anders! Einmal nicht in der Wildnis zurecht kommen müssen, keine Sorge um den sicheren Liegeplatz. Aber auch keinen Adrenalinkick bei der Jagd, kein Kräftemessen mit Artgenossen. Dafür viel Zeit für sich selbst und mit sich selbst.
Mal was anders machen. Anders hinschauen. Andere Wege gehen. Es muss ja nicht für immer sein. Nur auf Zeit, ein paar Tage oder ein paar Wochen, und dann wieder zurück zum Alten, zum Vertrauten, zum Gewohnten. Die Passionszeit kann eine solche Zeit sein.
Wenn bestimmte Stoffe nicht mehr zur Verfügung stehen, muss der Stoffwechsel anders denken. Wenn E-mails nur noch dreimal am Tag und nicht dreimal in der Stunde abgerufen werden, verändert das mich und hat Auswirkung auf die, die mir schreiben. Ob das immer gleich zu mehr Gelassenheit führt, sei dahingestellt. Wahrscheinlich ist sogar erstmal das Gegenteil der Fall. Ich lerne mich von einer anderen Seite kennen, bin vielleicht sogar dünnhäutiger als sonst. Ich bin mir näher und vielleicht auch Gott.
Und dann bin ich ja auch nur ein Mensch. Ich ringe mit dem Widerstand gegen das Anderssein. Mal gewinne ich, mal verliere ich und ab und zu geht es unentschieden aus. Es kann sein, dass meine persönliche Fastenzeit öfters in den Wochen zwischen Aschermittwoch und Ostern beginnt, und nicht immer dauert sie sieben Wochen.
Der Tiger wird nicht ewig auf dem Sofa liegen. Irgendwann zieht es ihn in seine vertraute Umgebung zurück. Die Erfahrung, auf Zeit anders zu sein, anders zu leben, nimmt er mit.
Ich wünsche Ihnen eine spannende "Anders-Sein-Zeit".
Ihre Pfarrerin Wolfrum