Zum ersten Mal nach den jeweiligen Wahlen trafen sich die Vertreter aus den Kirchengemeinden St. Vitus, der Kuratie und der Christuskirche zum gemeinsamen Austausch in den Gemeinderäumen unter der evangelischen Kirche. Mitten unter ihnen die vier Hauptamtlichen, Pfarrer Robert Borawski, Pfarrerin Silke Wolfrum, Gemeindereferentin Roswitha Hofmann und Diakonin Claudia Grunwald. Erklärtes Ziel des Abends war es, sich gegenseitig besser kennen zu lernen. In der Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum 2017 kamen die Hauptamtlichen darin überein, sich mit den Anfängen der Reformation sowie der katholischen Reaktion darauf zu beschäftigen um danach die Schatzkisten des Glaubens der beiden Konfessionen zu öffnen.
Pfarrerin Silke Wolfrum führte kurz in die Grundlagen der Reformation ein. Martin Luther sei es nie um eine eigene Kirche gegangen. Für ihn ging es einzig und allein um die Gewissheit „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“. Nach langem Ringen fand er die Antwort im Römerbrief: „Der Gerechte wird aus dem Glauben leben.“ Daraus entwickelten sich die drei großen reformatorischen Prinzipien:
- Allein Christus führt den Menschen zum Heil,
- der Glaube allein genügt, es braucht keine guten Taten, um Gott zufriedenzustellen, und
- allein die Schrift, also die Bibel, soll die Grundlage für den Glauben sein.
Martin Luthers Entdeckung war trotzdem weltbewegend, auch weil sie in eine Zeit der großen gesellschaftlichen und politischen Umbrüche fiel. Politik und Religion vermischten sich und am Ende wurden doch zwei christliche Kirchen daraus.
Pfarrer Robert Borawski setzte mit einem Überblick über zwei vatikanische Konzile im 16. Und 20. Jahrhundert fort. Im 16. Jahrhundert waren die Konzile von Trient vor allem eine Antwort auf die Reformation. Manches Anliegen fand Eingang in die katholische Tradition. Insbesondere das Streitthema des Ablasshandels wurde geklärt. Ein weiteres Anliegen war die bessere Ausbildung der Priester und die Auflage, dass diese in der Pfarrei wohnen müssen, Kirche nah am Menschen. Katholischerseits blieb es bei sieben Sakramenten (Luther hatte auf zwei reduziert) und auch der Opfergedanke in der Eucharistie wurde betont. Dieser werde heute nicht mehr in gleicher Weise vertreten. Das unterschiedliche Verständnis, was im Abendmahl geschieht, bleibt aber nach wie vor eines der großen Hindernisse auf dem Weg zu einer gemeinsamen Feier beider Konfessionen. Das zweite Vatikanische Konzil im 20. Jahrhundert wandte sich nochmal stärker den Gläubigen zu, unter anderem rückte in der Folge der Altar näher an die Gemeinde heran und der Priester ist ständig den Gläubigen zugewandt.
Nach dieser theoretischen Einführung waren die Ehrenamtlichen an der Reihe. In Kleingruppen wurde die Aufgabe bearbeitet: Da schlägt mein Herz als Evangelischer, als Katholischer. „Was ich an dir mag“ und „Was ich an mir mag“. Es war gar noch so einfach die 32 Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände aus der Arbeit in den Kleingruppen zurück zu holen. Zuviel hatte man sich zu erzählen und auszutauschen. Nach intensiver Arbeit stellten die Gruppen ihre Ergebnisse im Plenum vor. Themen waren u.a. Abendmahl, die Sakramente, Zölibat, die Heiligenverehrung, Wallfahrten, Traditionen, Toleranz, kirchliche Feiertage und anderes mehr. Manche Entdeckungen und Gemeinsamkeiten waren dabei. So mögen beide die jeweilige Vielfalt in der eigenen Kirche, wenn auch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die Evangelischen schätzen die Kraft der Rituale und die Feierlichkeit der Gottesdienste in der katholischen Kirche. Katholische lieben auch den Schatz der Bibel, die Bedeutung des Wortes, und die Rolle der Frau in der evangelischen Kirche. Ganz nah vor Ort freuen sich beide über das gute Gelingen der jährlichen ökumenischen Kinderbibelwoche. Es war ein Abend von großer Wertschätzung und gegenseitigem Respekt.
Es hätte wohl noch Stunden gebraucht, um das ganze Feld der Entdeckungen, der Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Glauben abzuschreiten. So war es nur folgerichtig, dass alle Beteiligten sich wünschten, die gemeinsamen Sitzungen zu wiederholen und sich zukünftig einmal im Jahr, im Herbst zu treffen. Entscheidend sei, dass man miteinander reden kann, dieses will und auch tatsächlich umsetzt.
Mit einem Ausblick auf geplante, auch gemeinsame, Veranstaltungen im Reformationsjahr 2017 und Luthers Abendsegen schloss dieser segensreiche harmonische Abend. Dank an alle, die dabei waren.